Wovon hängt es im Leben ab, ob jemand zu einer stabilen Persönlichkeit heranwächst und sich zu einem psychisch widerstandsrobusten Menschen entwickelt? Das Zauberwort der Wissenschaft heißt: Resilienz. Und wie belastbar sind Sie? Wie gehen Sie mit Veränderungen um?
Der Begriff ‚Resilienz‘ stammt aus der Physik und bezeichnet Stoffe, die sich unter Druck verformen lassen und danach aber wieder in Ihre ursprüngliche Form zurückkehren. Wie beispielsweise ein Schwamm, den man ausdrückt oder ein Tennisball, der auf einen Schläger trifft. „Trifft ein Stressereignis auf mich ein, reagiere ich eventuell kurz mit Schlafstörungen, aber generell schaffe ich es, meine seelische Gesundheit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.“, so formuliert es die Resilienzforscherin Dr. Isabella Helmreich.
Resiliente Menschen zeigen nach Stressereignissen weniger körperliche Symptome und ein anpassungsfähigeres Gehirn als andere Mitmenschen. Sie verfügen über aktive Stressbewältigungsstrategien und neigen zu einer eher optimistischen Lebenshaltung. Sie verfügen über mehr soziale Kontakte und achten auf eine gesunde Lebensweise.
Kernmerkmale seelischer Widerstandkraft
Was haben resiliente Menschen gemeinsam? Sie finden relativ schnell wieder in ihren Gleichgewichtszustand zurück. Sie durchleben diese Krisenzeit oder andere Widrigkeiten ganz bewusst. Sie erfahren gleichermaßen einen Zuwachs an Belastbarkeit und gehen aus einer Krise gestärkt hervor.
Die Wissenschaft durchdringt dieses Phänomen immer tiefer. Es ist eng verknüpft mit Stress und Angst und den organischen Reaktionen unseres Stresssystems im Körper. Bei resilienten Menschen sinken die Stresshormone schneller. Entzündungsprozesse oder Herz-Kreislauferkrankungen sind seltener oder fallen schwächer aus. Sie produzieren Botenstoffe, die das Gedächtnis stärken und den Aufbau neuer Verknüpfungen ermöglichen.
Heute wissen wir, dass hierfür nicht alleine die genetische Disposition verantwortlich ist, sondern das Zusammenspiel mit unserer Umwelt. Aber welche Faktoren sind für die seelische Widerstandfähigkeit eines Menschen zuständig?
Schutzfaktoren psychischer Widerstandfähigkeit
Resiliente Menschen haben starke soziale Kompetenzen und sind von einem stabilen sozialen Netzwerk umgeben. Das wiederum gibt ihnen Sicherheit und festigt ihr Selbstkonzept. Die Bindung liefert Vorbilder auch zu Menschen, die bereits Krisen erfolgreich gemeistert haben. Hieraus ziehen sie die Überzeugung und Kraft, Schicksalsschläge oder Krankheiten auch erfolgreich bewältigen zu können. Der Austausch mit den Erfahrungen anderer, die Tendenz im Umkehrschluss auch anderen zu helfen und beizustehen, führt dazu, eigene Erlebnisse und Sichtweisen neu zu überdenken. Daraus entwickelt sich ein flexibleres Repertoire auf veränderte Bedingungen zu reagieren.
Resiliente Menschen akzeptieren auch schneller das Unausweichliche und können mit positivem Optimismus in die Zukunft sehen. Sie haben die Gabe, das Glas als ‚halb voll‘ zu beschreiben. Wir konzentrieren uns allzu oft auf das, was nicht klappt. Wenn sich eine Chance, eine Tür schließt, so schauen wir meist auf diese geschlossene Tür und bemerken nicht, wie sich eine andere Tür für uns auftut. Verhaltensmuster wie “Das schaff ich ja sowieso nicht“ oder „Das hat alles keinen Sinn“ sind in der Psychologie als selbsterfüllende Prophezeiung bekannt. Was ich denke, beeinflusst mein Handeln. Ich kann mir also mit meiner Einstellung im Privatleben oder Beruf selbst im Wege stehen oder mich beflügeln.
Resilienz lässt sich trainieren
Lange Zeit glaubte man Resilienz sei eine genetisch bedingte feste Größe. Neue Studien belegen aber, dass sich Resilienz dynamisch verändert. Dieser Optimismus ist erlernbar. Indem die lösungsorientierte Sicht auf Probleme gefördert wird, kann die eigene Widerstandskraft gestärkt werden. Das soll nicht heißen, Gefühle wie Trauer, Angst oder Sorge auszublenden und zu verdrängen. Auch nicht, dass Krisen und Stress künftig an einem abprallen. Solche Momente sind wichtig, um Trauerarbeit zu leisten und mit Ereignissen abschließen zu können.
Was genau jedem von uns hilft eine zuversichtliche Erwartungshaltung einzunehmen, ist individuell und den Umständen entsprechend unterschiedlich. Aber um die notwendigen Abwehrkräfte zu entwickelt, muss man schmerzlichen Situationen erst einmal ausgesetzt sein. Erst wer Angriffen ausgesetzt war, lernt daraus für die Zukunft. Dies bestätigt eine US-Studie um den Psychologen Mark Seery. Trauernde, die schwere Schicksalsschläge oder Krankheiten erlebt haben, waren seelisch stabiler.
Grundvoraussetzung dafür ist aber eine positive Grundhaltung und ein positives Umfeld. Menschen, die uns unterstützen und uns Sicherheit geben und in Krisen auffangen. Und natürlich auch die Fähigkeit, die eigenen Grenzen und Fertigkeiten realistisch einzuschätzen und die Energie dort zu investieren, wo man etwas bewegen kann. „Gib mir die Gelassenheit , Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Resilienz im modernen Leben
Diese Worte des US-amerikanische Theologen Reinhold Niebuhr entstanden vermutlich während des Zweiten Weltkrieges und sind als eine Art Gelassenheitsgebet weit verbreitet. Damals ging es um Probleme der Industrialisierung, um unmenschliche Arbeitsbedingungen, um Krisen. Heute befasst sich die Resilienzforschung verstärkt mit dem permanenten Alltagsstress. „Wir wissen, dass dauerhafter Stress krank machen kann“, sagt die Stressforscherin und Psychologin Dr. Jana Strahler.
Wir haben ständig Angst, etwas zu verpassen. Wir müssen jederzeit erreichbar sein und sind ständig in Kontakt mit allem und jedem. FoMO – Fear of missing out – ist die neue Zivilisationskrankheit. Jede freie Minute schwenkt der Blick auf das Handy. In diesen besonderen Zeiten, in denen der Informationsfluss über alle Kanäle verbreitet wird, ist eine kleine Auszeit fürs Gehirn besonders wichtig. Legen Sie medienfreie Zeiten fest. Das gilt auch für Sie in Ihrer Vorbildfunktion.
Konzentrieren Sie sich mehr auf das Hier und Jetzt, auf die schönen Dinge in Ihrem Leben. Sie sollen jetzt Ihr Leben nicht durch eine rosarote Brille verzerren, sondern nur dem Erlebten auch eine gute Seite abgewinnen und darin eine Chance für eine Weiterentwicklung sehen. Schätzen Sie Ihr Freunde, Familie, Gemeinschaft, den Verein. Eine Metastudie ergab, dass stabile soziale Bindungen sogar lebensverlängernde Wirkung haben. Sie wirken sich positiv auf unseren Hormonhaushalt und unser Immunsystem aus.
Ein gesunder Körper kann besser mit Stress umgehen
Zudem helfen ausreichend Bewegung, Sport und Entspannungsübungen dabei, Stresshormone wieder im Körper abzubauen und sich zu erholen. Fördern Sie in diesen Zeiten den Bewegungsdrang, die Bewegungsfreude und den Spieltrieb ihrer Kinder. Körperliche Betätigung, Bewegung und Sport sind zudem Doping für das Gehirn. Die Produktion von Adrenalin, also Stresshormonen, wird reduziert und Endorphine, körpereigene Glückshormone, werden ausgeschüttet. Bewegung ist Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Sprache und für die korrekte Raum-Lage. Bewegung steigert zudem deutlich die Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Eine kalifornische Studie bestätigt, dass Jugendliche, die auf ihre Fitness, gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf achten, deutlich weniger zu ungesundem Verhalten neigen und viel belastbarer sind.