Motivation und Willenskraft sind die bedeutsamsten Faktoren zur Erreichung von Zielen. Wenn der Wille von Kindern und Jugendlichen zu lernen und die Überzeugung sich verbessern zu können, fehlen, scheitert die beste Förderung. Motivation, ein vereinbartes Ziel konsequent verfolgen zu wollen, stellt daher den grundlegenden Baustein, für ein erfolgreiches Lernen dar.
In meiner Praxis erlebe ich all zu oft, dass Kinder in Leistungssituationen, in schulischen, musischen oder sportlichen Bereichen, nur an ihrem Ergebnis gemessen werden. Wie sie zu diesem Ziel gekommen sind, wie viel Anstrengung und Motivation sie aufgewendet haben, wird dabei nicht berücksichtigt. Das führt nicht selten dazu, dass die anfängliche Motivation, am Ball zu bleiben, langsam schwindet. Durch häufige Misserfolge entstehen nicht selten Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen und negative Leistungszuversicht. Viele der betroffenen Lernenden erahnen bereits die Misserfolge und entwickeln eine verminderte Anstrengungsbereitschaft. Immer häufiger werden Lernsituationen vermieden und es entsteht eine Art Teufelskreis, in dem Erfolgserlebnisse ausbleiben. Denn: Was ich nicht mag, mache ich selten. Was ich selten mache, mache ich nicht gut und was ich nicht gut mache, mag ich nicht.
Kinder sind von Natur aus neugierig, sie fragen uns Löcher in den Bauch. Sie wollen lernen und freuen sich im Allgemeinen auf die Schule und den weiteren wichtigen Schritt in ihrem Leben, der oft gebührend gefeiert wird. Diese Vorfreude paart sich mit natürlicher Aufregung und ein wenig Angst. Schaffen wir es diese Neugier zu nutzen und zu erhalten und zu stabilisieren, erschließt sie Kindern eine neue Welt. Es ist verständlich und richtig, dass Eltern ihrem Kind einen günstigen Schulstart verschaffen wollen, doch sollte es nicht darin münden, dass sie schon frühzeitig schulische Inhalte, wie Lesen, Schreiben und Rechnen üben. Bei falscher Didaktik erreichen sie damit genau das Gegenteil. Um erfolgreich die Schule meistern zu können, benötigen Kinder Kernkompetenzen, wie: Selbständigkeit, Selbstvertrauen, Sozialverhalten, Kooperationsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Frustrations- und Fehlertoleranz, Handlungsplanung, Impulskontrolle, Flexibilität, Wahrnehmungsfähigkeit, Sprachverständnis, Mengen- und Zahlenverständnis, fein- und grobmotorische Fähigkeiten sowie Neugier und Motivation.
Aber was ist Motivation eigentlich?
Alle reden von Motivation. Aber was ist Motivation wirklich? Motivation stammt von dem lateinischen Begriff „movere“, was „sich oder etwas bewegen“ bedeutet. Einfach erklärt: Motivation ist der Motor, mit dem wir ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. Motivation ist diese wunderbare Energie, die uns antreibt und lenkt. Das kennen wir alle aus unserem Alltag. Bei manchen Aufgaben scheint sie unerschöpflich, da gerät man geradezu in den Flow, bei anderen Aufgaben ist sie verbraucht, bevor die Aufgabe zu Ende gebracht wurde oder gar begonnen ist. Das geht unseren Kindern nicht anders. Motive für ein zielgerichtetes und zielstrebiges Handeln können ganz unterschiedlich sein. Sie finden sich sowohl im Menschen selbst, in der Freude an der Tätigkeit oder auch in der Erwartung des Erfolges und der Bestätigung durch das Umfeld.
Rudolf Kretschmann, Prof. für Bildungs- und Erziehungswissenschaften an der Universität Bremen, bricht in einem Vortrag bei der Fachtagung des Fachverbandes für integrative Lerntherapie die Motivation auf eine einfache Formel herunter: Motivation ist das Produkt aus der Attraktivität des Ziels und der Einschätzung der Erreichbarkeit. Hier kommt die Selbstkompetenz der Selbstwirksamkeit ins Spiel. Haben wir das Gefühl oder sind wir davon überzeugt, etwas zu erreichen, uns selbstwirksam zu erleben, sind wir motiviert, eine Anstrengung auf uns zu nehmen.
Aus der Praxis gesprochen: Wenn ein Kind mit Lern- und Leistungsschwächen, mit Lese-Rechtschreib- oder Rechenstörungen immer wieder Energie zum Üben aufwendet, oft sogar doppelt so viel wie Gleichaltrige, jedoch wieder schlechte Noten wegstecken muss, resigniert es und gibt sich auf. Um beim mathematischen Bild von Kretschmann zu bleiben: ist einer der Faktoren zu niedrig, tendiert das Produkt gegen Null. Es verwundert nicht, dass die Lernmotivation der betroffenen Kinder auch gegen Null sinkt. Aus der Kinderperspektive ist es nicht das vorrangigste Ziel gut in der Rechtschreibung oder im Rechnen zu sein. Für Kinder gibt es sicher viel attraktivere Ziele, wenn sie die Wahl hätten. Motivation setzt sich eher aus persönlichen Motiven zusammen. Auf der einen Seite ist es die Hoffnung auf Erfolg. Dabei möchten sie so erfolgreich sein, wie andere oder gar erfolgreicher. Auf der anderen Seite kann die Motivation zum Lernen aber auch aus genau dem Gegenteil entspringen, nämlich aus der Furcht vor Misserfolgen.
Forscher sind sich einig, dass es zwei Arten der Motivation gibt: Intrinsische und extrinsische Motivation. Von der extrinsischen Motivation spricht man, wenn man durch externe Faktoren motiviert wird, durch äußere Einflüsse oder Erwartungen. Man möchte eine Belohnung erhalten, oder ein Bestrafung vermeiden. Von der intrinsischen Motivation spricht man, wenn man durch rein persönliche Interessen, aus Neugierde oder aus der Bereitschaft heraus angetrieben wird, eine neue Herausforderung anzunehmen. Sie gilt als wichtigste und intensivste Form der Motivation. Es ist v.a. die intrinsische Motivation, die uns zu Höchstleistungen antreibt und uns über uns hinaus wachsen lässt. Die Annahme einiger Motivationsforscher, dass extrinsische Anreize die intrinsische Motivation negativ beeinflussen oder gänzlich verschwinden lassen, gilt mittlerweile als überholt. Die Psychologie geht mittlerweile davon aus, dass es fließende Übergänge gibt und beide Formen – unter bestimmten Bedingungen – nebeneinander bestehen können. So sollte z.B. eine Belohnung in einem konkreten und direkten Zusammenhang zu einer Leistung stehen.
Motivation ist ein vielschichtiges Konstrukt, das das Potential in einem Menschen wecken kann. Daher sollte das oberste Ziel sein, die Motivation und die Freude des Kindes am Lernen zu wecken und zu erhalten, um das Unmögliche möglich zu machen. Dazu gehört am individuellen Leistungsvermögen des Kindes anzusetzen, dort wo das Kind die Aufgabe selbständig bewältigen kann. Dies führt zu einem ersten Erfolgserlebnis, auf das man aufbauen kann. Jedes weitere Ziel soll in kleinen Schritten erreichbar und attraktiv formuliert werden. Ich erinnere: Ein Ziel ist attraktiv, wenn ich zumindest die Chance habe, es erreichen zu können. Das Kind erlebt: „Ich kann‘s!“, so wie der kleine Kai im gleichnamigen Buch von C. Holland.
Beim Lernen ist es sehr wichtig, den Alltagsbezug herzustellen, der den Kindern allzu oft nicht bewusst ist. Warum muss ich richtig schreiben können, besonders dann, wenn ich die Autokorrektur verwenden kann. Wozu muss ich das rechnen können, wenn es der Taschenrechner für mich macht. Wozu brauche ich diese oder jene Formel? Für Grundschulkinder erklärt das sehr einfühlsam „Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte“ oder „Die Geschichte vom Löwen, der nicht bis drei zählen konnte“ von M. Baltscheit.
Förderung zu Hause: Was können Eltern tun?
Viele Eltern fragen sich nun, was sie selbst tun können, um ihr Kind optimal auf die Schule und ihre Anforderungen vorzubereiten und zu begleiten ohne es zu überfordern. Viele Fertigkeiten, die Kinder für die Schule brauchen, können Sie im Alltag fördern und festigen.
Fördern Sie eine gesunde Ich Kompetenz, ein Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten: Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit und Selbständigkeit. Ihr Kind kann seine Bedürfnisse und Gefühle angemessen ausdrücken und seine Impulse steuern. Ihr Kind kann mit Enttäuschungen, Misserfolgen und Frustration umgehen und ist emotional stabil. Ihr Kind kann sich auf neue Situationen angstfrei einlassen.
Fördern Sie die soziale Kompetenz im Umgang mit anderen. Ihr Kind nimmt aktiv positiven Kontakt zu anderen (Kindern) auf. Ihr Kind traut sich seine Meinung angemessen zu äußern, kann zuhören und andere aussprechen lassen. Ihr Kind kann Gefühle anderer erkennen und deuten und kann in Konfliktsituationen Kompromisse schließen. Ihr Kind kann in der Gruppe kooperieren und sich an Regeln halten.
Fördern Sie die körperliche Kompetenz durch Bewegung und Schulung der visuellen und auditiven Wahrnehmung. Ihr Kind hat gute Grob- und Feinmotorik, eine gute Auge-Hand-Koordination und verfügt über eine Fingergeschicklichkeit. Bewegung ist das Tor zum Lernen und fördert Gehirnprozesse, steigert die Konzentrationsfähigkeit und reduziert Stresshormone (Adrenalin).
Fördern Sie kognitive Kompetenzen, wie planvolles Handeln, Konzentration und Merkfähigkeit. Kann Ihr Kind Arbeitsaufträge und Anweisungen speichern und mit Ausdauer durchführen. Kann Ihr Kind die Aufmerksamkeit gezielt auf etwas richten und Störfaktoren ausblenden.
Fördern Sie die sprachliche Kompetenz Ihres Kindes. Lesen Sie Ihrem Kind vor. Eine Studie von Stiftung Lesen belegt: Vorlesen ist ein uneinholbares Startkapital. Erhöhter Medienkonsum dagegen führt zu Störungen in der Sprachentwicklung. Sprechen Sie mit Ihren Kindern über die gesehenen Filme. Nutzen Sie gemeinsame Mahlzeiten um über die Ereignisse des Tages zu sprechen. Fördern Sie im Spiel Sprachgefühl, Wortschatz und Allgemeinbildung. Aber fördern Sie vor allem Freude, Neugier und Motivation. Denn: Was ich gern mache, mache ich oft. Was ich oft mache, mache ich besser und was ich besser mache, mache ich gerne. Motivation ist die Energie, wenn etwas in uns ruft: „Ja. Ich will.“